Schule,  Social Justice

Warum die Gefängniskarriere für Afro-Amerikanerinnen schon in der Schule anfängt

Im Jahr 2013 wurde in Illinois ein achtjähriges Mädchen inhaftiert, weil sie im Unterricht “aufgeführt” hat und eine 16jährige in Alabama, die an Diabetes, Asthma und Schlaf-Apnoe leidet, wurde von ihrem Lehrer mit einem Buch geschlagen, nachdem sie im Unterricht eingeschlafen war. Die Schülerin wurde verhaftet und musste dann aufgrund der Verletzungen, die sie im Polizeigewahrsam erlitten hatte, stationär aufgenommen.

2014 wurde ein zwölfjähriges Mädchen von der Schule ausgeschlossen und angezeigt, weil es “hi” auf eine Garderobenwand in ihrer Mittelschule in Georgia geschrieben hatte. Eine andere Schülerin mit ausgezeichneten Leistungen wurde das gesamt Abschlussjahr vom Schulbesuch ausgeschlossen, weil sie unabsichtlich ein Taschenmesser zu einem Football-Spiel mitgenommen hatte.

Heute habe ich einen neuen Begriff gelernt: “school-to-prison-pipeline”. Bei einem Symposium der Fordham Law School ging es unter anderem darum, wie wie es dazu kommt, dass afro-amerikanische Mädchen ein 53mal höheres Risiko als weiße Mädchen haben, bereits in der Schule straffällig zu werden, bei Jungen ist der Unterschied nicht so gravierend (“nur” 1:10).

Vorauszuschicken ist, dass der Strafvollzug vom “prison-industrial-complex” geprägt ist, d.h. dass die Gefängnisse in vielen Fällen in von privaten gewinnorientierten Firmen geführt werden, für die es lukrativ ist, wenn es viele Häftlinge gibt.

Obwohl in den Vereinigten Staaten nur fünf Prozent der Weltbevölkerung leben, sitzen 25 Prozent aller Gefangenen weltweit in amerikanischen Gefängnissen: Mehr als 2,2 Millionen waren es im Jahr 2013. Selbst autoritäre Regime wie Russland, der Iran oder China sperren weniger Menschen weg, das geht aus einer amtlichen Statistik des US-Justizministeriums hervor. Etwa zehn Prozent aller amerikanischen Häftlinge sitzen bei Privaten ein – fast eine Viertelmillion Menschen – so Patrick Witte 2017 in der Zeit.

Möglich ist dies aber nur, weil das Strafsystem an sich auf Abschreckung aufbaut im Gegensatz zu Integration. Es gilt das Motto “Zero-Tolerance”. Dass dieses System zutiefst von Rassismus bestimmt ist, schreibt z. B.  Michelle Alexander in ihrem Buch “The new Jim Crow”. Der Weg ins Gefängnis fängt für viele bereits im Kindesalter an. Kinder können in den USA schon ab 6 Jahren (Strafmündigkeit fängt je nach Bundesstaat zwischen 6 und 12 an) für schulisches Fehlverhalten von der Schule ausgeschlossen, verhaftet und eingesperrt werden, bekommen z. T. dann lange Haftstrafen. In den Schulen hat sich die Zero-Tolerance-Politik  ursprünglich auf Waffen an Schulen bezogen, mittlerweile wird es aber geringsten Vergehen umgesetzt, die oft gar nicht mit Gewalt zu tun haben.

Was ist aber nun mit den Mädchen? Bei ihnen wirken verschiedene Faktoren zusammen, ich nenne hier die für mich wesentlichen:

  • Bei den Mädchen spielen Weiblichkeitsnormen, die sich an “weißen” Mädchen orientieren, eine Rolle, z. B. Schulverweise wegen Afro-Frisuren, aber auch Verhalten, das den typischen Zuschreibungen von Sklavinnen entspricht (“ordinär”, “ungepflegt”, “frech” etc.).
  • Ein weiterer Faktor ist das Thema Trauma, 70% der Mädchen, die im Jugendstrafvollzug landen, haben Erfahrungen mit sexueller Gewalt. Mädchen of Colour sind bsonders gefährdet, hier insbesondere First Nation Angehörige. Traumen können zu Konzentrationsstörungen führen, auch zu auffälligem Verhalten, wenn die Ursache nicht erkannt wird, können Fehlinterpretationen entstehen. Menschen mit traumatischen Erfahrungen benötigen sichere Räume, die Schule könnte ein solcher sein, ist es für die Mädchen aber gerade nicht, denn sie erfahren dann dort wiederum Mobbing durch andere Schüler_innen, Lehrpersonen und Sicherheitspersonal.
  • Weitere Informationen: The African American Policy Forum mit einer umfassenden Dokumentation Black Girls Matter: Pushed out, overpoliced, underprotected

Sidekick: körperliche Bestrafung ist nur in Minnesota Eltern und Pflegeeltern verboten. In 23 Bundesstaaten machen auch Lehrer öffentlicher und privater Schulen sich nicht strafbar, wenn sie Schüler körperlich bestrafen.

Lichtblick: Trauma-sensible Schulen Dies wäre auch für Österreich durchaus zu bedenken, denn auch ins unseren Schulen sitzen Kinder mit traumatischen Erlebnissen, die ihnen das Lernen erschweren.

Die oben erwähnten Beispiele stammen aus dem Bericht.

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