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Safe Space und die National Rifle Association

Die Waschsalone von Campingplätzen bieten interessante Einblicke in die Lektüre der Camper – meistens sind es Zeitschriften mit Rezepten oder Diäten (oft auch gleichzeitig), Reader’s Digest (ein wesentlicher Bezug zur Welt in meiner Kindheit) oder zerfledderte Liebesromane. In Florida machte ich jedoch einen besonderen Fund: ein Exemplar der Zeitschrift der National Rifle Association (NRA).

Neben Werbung für Waffen und Gun-Shows, (lt. Paul Theroux in seinem Buch “Tief im Süden” eine zentrale Sonntagsbeschäftigung im Süden) fanden sich Artikel zu der bekannten Argumentation, dass Waffen Gewalt verhindern, was anderes hatte ich auch nicht erwartet.

Eine Überschrift allerdings weckte mein Interesse: “What do you do when there’s no safe space at your school?” – aha, dachte ich, seit wann kümmern sich Erzkonservative um Safe Spaces? Der Ausdruck kommt doch aus der Frauenbewegung bzw. aus der LGBTI-Bewegung und meint in seiner ursprünglichen Bedeutung, einen Raum, wo sich Personen mit gleichem Erfahrungshintergrund austauschen können, wo sie in ihrem So-Sein angenommen werden, um dann aus diesen geteilten Geschichten Stärke zu entwickeln. Die Weiterentwicklung war dann der Wunsch, dass Universitäten zu sicheren Orten werden soll, Orten, die frei von Diskriminierung und sexueller Belästigung sind.

So weit, so gut, ich schaute genauer hin und da eröffnete sich mir die wahre Intention.

“What do you do when there’s no safe space for conservatives at your school? You are a student who believes in the right to free speech – and at your school that makes you the enemy. When you are under attack from leftist professors, P.C. administrators, and radical students, you will want Young America’s Foundation on your side!”

Es geht also darum, dass sich konservative Studierende von linken Professor_innen, Verwaltung und radikalen Studierenden beeinträchtigt fühlen.

Hier möchte ich eine weitere Bedeutung des Begriffs “Safe Space”, einführen, die sich in den USA entwickelt hat. Van Jones, ein ehemaliger Berater von Barack Obama, bezeichnt dies als den “ideological safe space”. Damit ist gemeint, dass damit dem Wunsch Ausdruck verliehen wird, dass man vor Meinungen, die von der eigenen ideologischen Überzeugung abweichen, geschützt werden soll, da dies unangenehme Gefühle verursache. An Universitäten wird das unterschiedlich gehandhabt, es kann dazu führen, dass bereits das Sprechen über bestimmte Themen als unangebracht angesehen wird. Hier dazu mehr und seine Warnung, dass diese Idee eines Safe Space kontraproduktiv ist, weil sie für die Realität “da draußen” nicht vorbereite. Im Gegenteil, er schlägt vor, dass gerade an Universitäten die Auseinandersetzung mit anderen ideologischen Positionen geübt werden solle, zum einen, um die eigenen Perspektiven zu erweitern, vielleicht auch in Frage zu stellen, zum anderen, um die eigenen Argumentionen zu üben und zu verbessern.

Und hier möchte ich wieder auf meine ursprüngliche Frage zurückkommen: Wieso sind Safe Spaces in der NRA ein Thema? Dazu zwei Antworten:

Erstens wendet sie eine bekannte Diskursstragie populistischer rechter Gruppierungen an:  einen Begriff und das dahinter liegende Konzept gleichzeitig bekämpfen und für sich einfordern, indem man sich in der Täter-Opfer-Umkehr als Opfer inszeniert. Es sind nun die konservativen Studierenden, die sich an den Universitäten bedroht und ausgeschlossen fühlen.

Zweitens und das erscheint mir fast wichtiger: Sie schaffen sich ihre eigenen Safe Spaces, um Studierende zu schulen, strategisch ihre Inhalte zu platzieren. Die Organisation im Hintergrund ist die Young America’s Foundation.   Die Los Angeles Times bezeichnet sie 2017 als eine der einflussreichsten Kräfte im Bereich der konservativen Jugendbewegungen. Mit enormen Summen im Hintergrund werden Studierende geschult (u. a. auf der ehemaligen Ranch von Ronald Reagan), wie sie argumentieren müssen, um ihre Ideologien durchsetzen zu können, z. B. statt “Kapitalismus” “Unternehmertum” zu sagen. Oder Waffen immer nur in den Zusammenhang mit Selbstverteidigung zu stellen.

So stellt sich der Artikel dann als Inserat für die Young American’s Foundation heraus, in dem für deren Angebote geworben wird:

“Receive the special YAF strategy that Berkeley students used to break the free speech deadlock at their leftist university – that will work at your school, too!

Gain the unique training YAF offers on how to defend your rights before the most hardened leftist administrators and university officials.

Discover the secrets on how to convince your most indoctrinated classmates with the conservative philosophy!”

Dass immer nur die Linken “indoktriniert” sind, geschenkt. Was mir aber wesentlich erscheint, ist, dass Beschränkungen der freien Rede – von bewusst rassistischer, sexistischer Sprache und Hate-Speech spreche ich hier nicht – die unentschiedene Mitte in die Arme der extremen Rechten treiben. Es gilt gut zu unterscheiden zwischen diskriminierender Sprache und Sprechen über diskriminierende Sprache, zwischen Diskriminierung und dem Sprechen über Diskriminierung.

Deshalb ist es wichtig, ins Gespräch zu gehen und auch im Gespräch zu bleiben, Aktionen wie “Österreich spricht” vom Standard sind ein Beispiel dafür.  Gleichzeitig aber sollte den eigenen Redestrategien und Argumenten Aufmerksamkeit  geschenkt, es ist legitim,  diese auch zu trainieren – die Rechte macht das schon längst.

Wer sich mit den Entwicklungen rund um Safe Spaces an Universitäten näher beschäftigen möchte, hier ein Artikel, die konkrete Beispiele beschreiben:

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